2. August – Internationaler Sinti- und Roma-Gedenktag

Heute, am 2. August, ist ein bedeutender internationaler Gedenktag der Sinti und Roma. Am 2. August 1944 wurde der von den Nazis als „Zigeunerlager“ bezeichnete Bereich B-II-e des KZ Auschwitz-Birkenau liquidiert. Rund 3000 dort noch überlebende Männer, Frauen und Kinder wurden in den Gaskammern ermordet.

Lageplan Birkenau

In den 19 Baracken des Bereichs B II-e waren Tausende von Sinti und Roma seit Anfang 1943 unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten worden. Die meisten von ihnen waren bis August 1944 schon an Zwangsarbeit, Krankheiten, medizinischen Experimenten des „Lagerarztes“ Mengele oder durch die Mörderhände der SS ums Leben gekommen. Schon am 16. Mai 1944 sollten auch die restlichen Überlebenden ermordet werden. Doch an jenem Tag wehrten sich die Sinti und Roma von B II-e. Nur mit Knüppeln und einigen Werkzeugen bewaffnet, leisteten sie Widerstand gegen die SS. Die Nazis wichen zurück und verschoben die Auflösung des Lagers. Der 16. Mai wird deshalb noch heute international als „Roma Resistance Day“, als Tag des Widerstands der Sinti und Roma, begangen.

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Das wollten die Nazis nicht ein zweites Mal erleben. Sie sonderten deshalb vor dem 2. August diejenigen aus, die noch kräftig genug waren, und verlegten sie in andere KZs. Am Nachmittag des 2. August wurde dann ein Güterzug an die Rampe in Birkenau gefahren. 1 500 Sinti und Roma wurden verladen und gegen 16 Uhr abtransportiert. Am Abend wurden die rund 3 000 Übriggebliebenen zu den Gaskammern gebracht. Wieder wehrten sie sich bis aufs Äußerste, hatten aber diesmal keine Chance.

Leichenverbrennung in Birkenau 1944.

Ihr Tod soll ebenso wenig vergessen sein wie der Tod all der anderen von den Deutschen zwischen 1933 und 1945 Ermordeten. Auch an das Leid der überlebenden Angehörigen erinnern wir, vor allem der vielen Kinder, die ihre Großeltern, Eltern, Geschwister und Verwandte durch den Völkermord verloren.

Dieses Leid der folgenden Generationen hört bis heute nicht auf. Wieder werden Sinti und Roma in Deutschland und ganz Europa ausgegrenzt, geschlagen, vertrieben, verschleppt, mit dem Tode bedroht oder durch Behörden drangsaliert. Ihre Freizügigkeit wird in Frage gestellt, sie müssen sich rechtfertigen, wenn sie reisend oder beruflich unterwegs sind. Sie müssen sich ungerechten Polizeiaktionen beugen, überzogene Kontrollen über sich ergehen lassen. Man will sie aus Wohngebieten vertreiben oder in lagerähnlichen Unterkünften festsetzen. Ihre Kinder werden in der Schule benachteiligt oder aus den regulären Bildungsgängen abgedrängt. Sinti und Roma werden bereits wieder erfasst und gezählt, so wie damals, als der Porrajmos begann.

Wann hört das auf? fragen die Ermordeten von Auschwitz. Wann werden wir frei sein? fragen die Kinder heute ihre Eltern.

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Achtung Celle/Eschede: NPD hat Hof Nahtz gekauft.

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Erst einen Tag alt ist die Nachricht: Der Hof Nahtz in Eschede ist an die NPD-Niedersachsen verkauft worden. Wie CELLEHEUTE berichtet, hat der Verkauf bereits im Februar stattgefunden.

Somit werden die rechtsextremen Treffen auf dem Hof Nahtz in Eschede noch lange stattfinden. Schon im vergangenen Jahr fand der NPD-Landesparteitag Niedersachsen auf dem Hof statt. Die NPD hatte dafür ein Zelt aufstellen lassen,  da sie inzwischen große Schwierigkeiten hat, noch irgendwo in Niedersachsen einen Saal anmieten zu können. Zur “braunen Sonnwendfeier” auf dem Hof Nahtz lädt die NPD heute Nachmittag ein, gemeinsam mit ihrer Jugendorganisation JN und den Düütschen Deerns, eine rechtsextreme Frauenorganisation aus Schneverdingen. Sie bezeichnen das Fest als „Brauchtumsfeier“. Ihr eigentliches Ziel ist es aber, auf Zusammenkünften wie diese Kontakte zu pflegen, Termine abzusprechen und neue Aktionen vorzubereiten. Somit sind diese Sonnwendfeiern alles anderes als harmlos.

Für das Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus werden die Proteste gegen die „Brauchtumsfeiern” auf dem Hof Nahtz in Eschede ab heute eine neue Qualität haben. Es ist nämlich schon ein Unterschied, ob ein verirrter Landwirt seinen Hof für solche Treffen zur Verfügung stellt oder der Hof selbst Eigentum der NPD ist. Es stellt sich für uns auch die Frage, was die NPD mit dem Hof vor hat.

Beispiel Hetendorf 13

Das Neonazi-Zentrum “Hetendorf 13“ (Landkreis Celle) hat der Rechtsanwalt und Bundesvize der NPD, Jürgen Rieger, von 1978 bis 1998 betrieben. Es war mit 300 Betten das größte rechtsextreme Schulungszentrum in deutschsprachigen Raum. Rieger führte dort politische Schulungen, Pfingstlager und Wehrsportübungen durch. „Hetendorf 13“ war auch Zentrum der Wiking-Jugend, eine Nachfolge-Organisation der Hitler-Jugend und des Bundes Deutscher Mädel. 1997 war auch Beate Zschäpe in Hetendorf. Erst 1998 hat das Land Niedersachsen das Zentrum in Hetendorf wegen Verfassungswidrigkeit geschlossen.

Beispiel Landhotel Gerhus

Auf Anweisung von Jürgen Rieger besetzten Mitglieder der Neonazi-Kameradschaft 73 aus Celle 2009 das „Landhotel Gerhus“ in Niederohe bei Faßberg. Sie hatten die Schlösser aufgebohrt und das Gebäude gesetzwidrig eingenommen. Rieger wollte aus dem Hotel mit 50 Zimmern und 200 Betten erneut ein Schulungszentrum für Neonazis machen und den angrenzenden Campingplatz als Lagerplatz der rechtsextremen Jugend nutzen. Das Landgericht Lüneburg ordnete jedoch schon kurze Zeit später an, dass die Nazis das Hotel sofort räumen müssten. Im Dezember 2009 wurde es schließlich versteigert, an eine Unternehmerin aus Celle, die daraus ein Heim für Suchtkranke machte.

Und Hof Nahtz?

Hat die NPD vor, den Hof Nahtz zu einem größeren Zentrum auszubauen? Soll daraus vielleicht sogar eine Neuauflage von „Hetendorf 13“ werden? Vorstellbar ist es. Immerhin liegt der Hof völlig isoliert am Rand von Eschede. Er ist drei Kilometer von der L 281 entfernt, nur über einen Sandweg zu erreichen. Es gibt auch keine weiteren Höfe oder Häuser in der Nähe. Der Hof ist nicht einsehbar. Ein idealer Ort also für Gruppen, die unerkannt bleiben und sich nicht in die Karten schauen lassen wollen.

Heute Nachmittag ruft das Netzwerk Südheide zur Protestkundgebung gegen die rechtsextreme Sonnwendfeier der NPD in Eschede.

  • Beginn um 13.00 Uhr, nördlich des Bahnhofs, Hermannsburger Straße
    • Kundgebung ab 13.45 Uhr an der Abbiegung zum Hof Nahtz, an der L 281, Kreuzung “Am Dornbusch / Zum Finkenberg“.

 

Heute beginnen die Internationalen Rassistischen Wochen 2019!

Europa wählt Menschenwürde

Erinnerung für die bevorstehenden Wahlen: Europa wählt Menschenwürde! Aufstehen gegen Antisemitismus und Antiziganismus! Shoa und Porrajmos gemeinsam erinnern!

Today is the starting day of the International Anti-Racism Action Weeks 2019. A reminder for oncoming elections: Europe votes for human dignity! Stand up against anti-Semitism and anti-Gypsyism! Remember the Shoa and the Porrajmos alike!

2019 Auschwitz erinnern heißt auch Porrajmos erinnern!

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Deportation von Sinti aus Asperg, 22. 5. 1940, Foto der Ritter-“Forschungsstelle”, aus dem Bundesarchiv)

Wir haben jetzt einen Antisemitismus-Beauftragten, das ist toll und notwendig. Aber wann fängt Deutschland an, den Antiziganismus auch offiziell wahrzunehmen? Nur weil er weniger offen gewalttätig als damals und heute eher strukturell ist, darf man ihn ignorieren? Ich weiß nicht, ob es Eli Wiesel oder Kurt Tucholsky war, der sinngemäß schrieb, dass sich der Wert einer Kultur daran zeigt, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht. Ist auch egal von wem das Zitat stammt, es stimmt jedenfalls.

“Unter uns?” – Ausstellung der Sinti in Ostfriesland und Leer bis 25. Januar 2019

Aufgrund des großen Publikumsinteresses wird die Ausstellung “Unter uns? – Sinti in Ostfriesland und Leer” in der Gedenkstätte Ahlem verlängert. Sie ist noch bis zum 25. Januar 2019 zu sehen. Mitglieder des 1. Sinti-Vereins Ostfriesland haben diese Ausstellung initiiert und in Zusammenarbeit mit dem Heimatmuseum und der Stadt Leer in hohem Maße an der Entstehung mitgewirkt.

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Foto: Andreas Mischok

 

 

 

 

 

 

Das Foto zeigt Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrganges der Sophienschule Hannover und Vertreterinnen und Vertreter des 1. Sinti-Vereins Ostfriesland aus Leer. Die Gedenkplatte zur Erinnerung an die Deportation der Sinti aus Hannover wurde 2018 zum 75. Jahrestag der Deportationen in der Gedenkstätte Ahlem bei Hannover eingeweiht.

Inhaltlich geht es bei der Ausstellung vor allem um die Nachkriegsgeschichte der Sinti im ostfriesischen Raum, darin nicht nur um die fortgesetzte Ausgrenzung und die Aufklärung über langlebige Vorurteile. Die Präsentation gibt auch interessante Einblicke in die Entwicklung der Sinti in Ostfriesland und ihre heutige Situation. Sie zeigt, was mit Initiative und Engagement für die nationale Minderheit erreicht werden kann.

Auf Einladung der Gedenkstätte Ahlem waren vom 19.11. bis zum 23.11. Vertreterinnen und Vertreter des 1. Sinti Vereins Ostfriesland in Hannover zu Gast und haben mit mehr als 150 Teilnehmenden Workshops zu Inhalten der Ausstellung durchgeführt. Vertreterinnen und Vertreter der Sinti kamen so in einen intensiven Austausch mit Angehörigen der Bundeswehr, Schülerinnen und Schülern, sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern.

Auskunft über Workshop-Angebote und Besuche durch Gruppen können über die Webseite der Gedenkstätte eingeholt werden: http://www.gedenkstaette-ahlem.de

 

 

Zwei Ausstellungen zu Kultur und Gegenwart der Sinti in Norddeutschland

Nienburg zeigt Gesicht für Vielfalt und Demokratie – gegen Rechtsextremismus

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Viele Nienburgerinnen und Nienburger haben sich Anfang April über die im Internet verbreitete Erklärung einer im Landkreis agierenden rechtsextremen Partei geärgert. Dort wurde das „Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie und Zivilcourage (WABE)“ diffamiert und verleumdet. Indirekt wurden dadurch von Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus und generell von Neonazi-Parolen betroffene Menschen beleidigt und in die kriminelle Ecke gestellt. Wir nehmen Artikel 1 des Grundgesetzes ernst: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Deshalb laden wir alle Bürgerinnen und Bürger, die das deutsche Grundgesetz bejahen, am 16. Mai 2018 um 18:30 Uhr ins Rathaus Nienburg ein. In Erinnerung an den Widerstand der Sinti und Roma im Familienlager Auschwitz-Birkenau wollen wir ein Zeichen setzen. Für Vielfalt und Demokratie. Gegen den Rechtsextremismus. Für 100 Prozent Menschenwürde.

2Arbeitskreis Gedenken in Kooperation mit dem Fachbereich Bildung, Sport und Soziales Stadt Nienburg, Marktplatz 1, 31582 Nienburg, 05021 87425, 0151 1728 7826 mizva@thomasgatter.eu                                                                                  Kooperationspartner des Forums für Sinti und Roma Hannover

Unterstützt von: Stadt Nienburg, Weser-Aller-Bündnis Engagiert für Demokratie (WABE), Nie wieder e.V., 1. Sinti-Verein Ostfriesland, Heimatverein Leer, Heimatmuseum Leer

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Die Heimat der Sinti und Roma liegt nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft!

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Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bundesjugendkonferenz 2016 der Sinti und Roma in Nordrhein-Westfalen

Vom 30. September bis 3. Oktober 2017 findet in Freiburg im Breisgau die Bundesjugendkonferenz der Roma und Sinti 2017 statt. Das Bundesjugendtreffen ist das größte bundesweite Zusammenkommen junger Roma und Sinti in Deutschland. Sie wird dieses Jahr von Amaro Drom e.V. und dem Roma Büro Freiburg e.V organisiert.

Die diesjährige Veranstaltung widmet sich aus unterschiedlichen Blickweisen dem Thema “Heimat”. Sinti und Roma sind seit Jahrhunderten Teil der deutschen Gesellschaft. Dennoch befinden sie sich immer noch auf dem steinigen Weg des Ankommens. Die Veranstalter schreiben in ihrer Einladung: “Die Erfahrungen und Stärken, die wir auf diesem Weg sammeln, wollen wir mit all jenen teilen, die auch unterwegs sind. Sei es, weil sie zugewandert sind oder weil sich diese Gesellschaft so rasant verändert. Heimat liegt nicht in der Vergangenheit, sie liegt in der Zukunft.”

Seit über 6 Jahrhundert leben Sinti und Roma in diesem Land. Trotzdem finden sie sich bis heute in einer rassistisch geprägten Realität wieder. Welche gesellschaftlichen Entwicklungen und Mechanismen sind dafür verantwortlich. Und wie kann man sie überwinden? Diesen Fragen will die Bundesjugendkonferenz in einem vielfältigen Tagesprogramm aus Workshops, Ausstellungen, Vorträgen, Stadtrundgängen und Diskussionsrunden nachgehen. An den Abenden gibt es eine Eröffnungsfeier mit begehbarer Geschichtswerksttt (30.9.) und eine Theateraufführung zum Thema Abschiebung (1.10.). Den Höhepunkt der viertägigen Konferenz bildet das interkulturelle Stadtfest mit Musik und Workshoppräsentationen am 2.10.2017.

Ausführliche Informationen zum Programm sowie den Veranstaltungsorten finden sich ab August 2017 unter http://amarodrom.de/bundesjugendkonferenz-2017

Weitere Informationen:

Anita Burchardt, Amaro Drom e.V., Prinzenstraße 84/1,  10969 Berlin, http://www.amarodrom.de

Tel: +49(0)30 61620010
Mobil: +49(0)157 89 266 416
Fax: +49(0)30 69001960
Email: anita.burchardt@amarodrom.de

Sind wir immer noch Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse?

“Sind wir immer noch Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse?” fragen Roma im heutigen Europa und fragt mit ihnen Regisseur Samuel Lajua in seinem außergewöhnlichen Doku-Film. Am Dienstag, 18.7. 2017, um 21:45 strahlt ARTE ihn aus.

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Menschenrechtsaktivist Vicente Rodriguez Fernandez aus Spanien © Stephan Massis

Rassismus und Nationalismus in Europa führen zu staatlich organisierten Zwangsvertreibungen, Gewalt und verschärfter Diskriminierung. Im Zentrum des Films steht die Vertreibungspolitik des damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy im Jahr 2010. Ein treffendes Beispiel für die seit Jahrhunderten andauernde Sündenbockfunktion der Roma und in Deutschland auch der Sinti in der Politik.

Mit der Osterweiterung der EU hat sich die Situation keineswegs verbessert. Bildungschancen, Zugang zu Gesundheitsversorgung, Ausgrenzung, Übergriffe und Zwangsvertreibungen gegen Roma-Minderheiten in zahlreichen osteuropäischen Mitgliedsstaaten haben sich eher verschlimmert. Dem Film gelingt es sehr gut, allzu einfache Antworten auf komplizierte Fragen zu vermeiden und stattdessen zu beleuchten, warum die seit Jahren laufenden Förderungsmaßnahmen der EU so bitter scheitern. Es kommen Menschen zu Wort, die täglich von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sind, aber auch Aktivisten gegen Antiziganismus und für Menschenrechte in Europa. Der Film leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Antiziganismus als einem Problem der Mehrheitsgesellschaften.

Heute Treffen der Sinti zum Thema Gräberschutz im Nienburger Rathaus

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Zum Thema des dauerhaften Erhaltes der Grabstätten der im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen treffen sich Sinti aus Nienburg und Umgebung heute im Rathaus Nienburg (Witebsk-Zimmer). Das Treffen beginnt um 17:30 Uhr.

Auf Einladung des Arbeitskreises Gedenken treffen sich heute Sinti aus der Mittelweser-Region und Südheide im Rathaus Nienburg, um über das Thema des Gräberschutzes zu diskutieren. Es geht um die dauerhafte Erhaltung der Grabstätten von Angehörigen betroffener Familien, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Gegenwärtig wird zwischen Bund und Ländern eine einheitliche Regelung erörtert, nach der diese Gräber ähnlich den Kriegsgräbern unter Schutz gestellt werden können. Ihre dauerhafte Erhaltung als Erinnerungsorte wäre so auch dann gewährleistet, wenn die Ruhezeiten überschritten werden und keine Nachkommen mehr vorhanden sind, die sich weiter um die Gräber kümmern könnten.

Als Referenten und beratende Teilnehmende haben sich Regardo Rose und weitere Vertreter des Forum für Sinti und Roma Hannover sowie Oswald Marschall, der Berliner Repräsentant des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma angesagt. Erwartet wird auch Carmen Strauss-Marschall vom Bildungszentrum Mer Ketne Wir zusammen! des Vereins deutscher Sinti in Minden.

Das Treffen findet im Witebsk-Zimmer des Nienburger Rathauses statt und beginnt um 17:30 Uhr. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Gedenken, Thomas Gatter, gibt eine Einführung ins Thema, die Moderation übernimmt Vorstandsmitglied und Schulleiter Andrzej Bojarski (Leintorschule). Eingeladen sind Sinti und Roma betroffener Familien.

 

Nienburg muss solidarisch mit den Familien sein, deren Gräber geschändet wurden

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Foto: Förderverein Roma, Frankfurt. Auch in Nienburg soll bald ein Mahnmal für die im NS verfolgten und ermordeten Sinti der Stadt entstehen.

Wenn auf einem Nienburger Friedhof Straftäter über Sinti-Gräber herfallen, sie verwüsten und Grabschmuck entwenden, dann handelt es sich um respekt- und pietätlose Hooligans oder bodenlose Dummköpfe, die den niedrigen Marktpreis für Bronze nicht kennen. Aber es ist mehr als das. Es handelt sich dabei – ob den Grabschändern bewusst oder nicht – auch um rassistische Straftaten. Sie richten sich gegen eine Minderheit, die nach dem Gesetz ein anerkannter Teil der deutschen Gesellschaft ist. Die aber dennoch in zahlreichen Lebensbereichen wie Schule, Arbeit, Wirtschaft, Akzeptanz bei den Behörden und vielen mehr von Benachteiligung und Diskriminierung betroffen ist.

644 antisemitische Straftaten wurden im Jahr 2016 aktenkundig. Die meisten von ihnen waren Schmierereien, persönliche Diffamierungen, Holocaust-Leugnungen und nicht wenige Friedhofs- und Mahnmalschändungen, übrigens auch in dieser Stadt. 15 von ihnen, glücklicherweise nicht in Nienburg, waren Fälle physischer Gewalt, die zu zwei Festnahmen und vier Haftbefehlen führten. Laut Aussagen der Polizei und von (nichtjüdischen) Kriminologen liegt die Dunkelziffer – also die Anzahl nicht gemeldeter antijüdischer Straftaten – noch höher. Woher wissen wir das alles? Weil Antisemitismus und antisemitische Straftaten im öffentlichen Bewusstsein Deutschlands völlig inakzeptabel sind. Deshalb werden Statistiken geführt, deshalb kommen diese Vergehen und Verbrechen im Polizeibericht vor, deshalb berichten die Medien darüber.

Was wir nicht wissen, ist die Anzahl antiziganistischer Straftaten, also von Vergehen und Verbrechen, die aus rassistischen Gründen gegen Angehörige der nationalen Minderheit der Sinti oder gegen Roma verübt werden. Warum wissen wir das nicht? Weil Antiziganismus und antiziganistische Straftaten im öffentlichen Bewusstsein Deutschlands nicht völlig inakzeptabel sind, jedenfalls nicht in gleichem Maße wie der Antisemitismus. Deshalb werden darüber keine Statistiken geführt, deshalb kommen diese Straftaten in der Regel nicht in den Polizeibericht, deshalb berichten auch die Medien kaum darüber.

Deshalb darf Nienburg, ein Gemeinwesen, das den Ehrennamen „Stadt der Vielfalt“ trägt, angesichts der jüngsten, in den Medien ausführlich berichteten Grabschändungen nicht gleichgültig zur Tagesordnung übergehen. Gefordert ist die Solidarität aller Nienburgerinnen und Nienburger mit den Familien, deren Gräber und Erinnerungsorte Objekte dieser verwerflichen Übergriffe geworden sind. Und die Ermittlungsbehörden müssen alles daransetzen, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.