Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas
© Rolf Krahl / CC-BY 4.0 (via Wikimedia Commons)
Die Reichsbahn, Entschuldigung: die Deutsche Bahn, will das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Berliner Tiergarten teilweise sperren oder gar verlegen. Nach derzeitigen Plänen der Deutschen Bahn AG soll ausgerechnet hier in der Nähe des Reichstagsgebäudes „eines der wichtigsten Zukunftsprojekte“ (O-Ton Bahn) des Berliner Bahn-Netzes entstehen: eine neue City-S-Bahnlinie als zusätzliche Nord-Südtrasse für den Hauptbahnhof. Nicht nur die Sinti und Roma, sondern auch deutsche Juden und andere Gruppen, denen die Erinnerung an Shoa und Porrajmos wichtig ist, wollen Widerstand leisten.
Auf dem Webportal change.org läuft gegenwärtig eine Petition als erster Aufschlag eines hoffentlich breit unterstützten Protestes gegen die Bahnpläne, die das mühsam erkämpfte, 2012 eingeweihte Mahnmal gefährden. (https://www.change.org/p/deutsche-bahn-ag-das-mahnmal-der-ermordeten-sinti-roma-bleibt) Die Verantwortlichen der Deutschen Bahn haben offenbar ein kurzes Gedächtnis. Bei der Trassierung der S-Bahn-Linie, die sich nach der Unterquerung der Spree teilt und den Reichstag rechts und links umgeht, haben sie das Mahnmal auf der Südseite des Reichstagsgebäude einfach übersehen. Die westliche S-Bahn-Trasse läuft genau über den Standort des Mahnmals. Wie man aus Gesprächen der Mahnmalstiftung und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma mit den Bahn-Vertretern hört, waren letztere sehr überrascht, dass jemand dagegen sein könnte, das Mahnmal einfach abzubauen und woanders hin zu verlegen. Noch weniger erinnerten sie sich der Tatsache, dass die deutsche Eisenbahn von den Deportationen der Sinti, Roma, Juden und anderer Opfergruppen in die nationalsozialistischen Vernichtungslager recht gut profitiert hat. Und dass sich daraus eine historische Verantwortung für die Bahn heute ergeben könnte. Nur zum Vergleich: die holländische Bahngesellschaft hat schon vor Längerem eingewilligt, für die Mittäterschaft bei den NS-Deportationen aus den Niederlanden eine Wiedergutmachung zu leisten.
Die Bedrohung des Mahnmals, das für viele Angehörige von Opfern ein bedeutender Erinnerungsort ist, kann nicht nur als eine Angelegenheit der Sinti und Roma behandelt werden. Sie geht alle an, denen die deutsche Erinnerungskultur und der Kampf gegen das Vergessen ebenso wie gegen den wieder aufkommenden Rechtsradikalismus wichtig ist.